theater ensemble Würzburg: „Es bleibt uns immer etwas fremd. Ein Abend mit Fabian Riemen.“

Datum/Zeit
Date(s) - 15.04.2018
20:00 - 23:00

theater ensemble Würzburg
Frankfurter Straße 87
Würzburg


Was hat die Verwendung des Begriffs Behinderung mit dem von Männlichkeit, Weiblichkeit und dem des Migranten zu tun? Diese Frage beleuchtet der Dramaturg und Produzent Fabian Riemen im Rahmen eines Vortrages mit anschließender Diskussionsrunde im Theater Ensemble Würzburg.

Weitere Informationen:

Behinderung ist zunächst eine Separierung einer Personengruppe, und zwar derjenigen, denen Behinderung zugeschrieben wird. In der gleichen Weise werden auch zahlreiche andere Gruppen konstituiert: die der Migranten, der Männer, der Frauen, der Gymnasiasten, der Studierenden der Theaterwissenschaften. All diesen Gruppen werden höchst individuelle Einzelne zugeordnet, deren Subjektkonstitution und damit Entwicklung durch die begriffliche Zuschreibung – also die Zuschreibung zu einer Gruppe – eingeschränkt wird. Mit dem begrifflichen Filter geht ein Wahrnehmungsfilter einher, der die Möglichkeiten des Seins des Gegenübers einschränkt und gewissermaßen schon einen Rahmen vorgibt, in dem dieser sein darf.

Im Hinblick auf Konzepte einer gesellschaftlichen Inklusion – die, will sie verwirklicht sein, neben den Aspekten der Behinderung und Migration auch die der Genderfrage einschließen muss – wird zunehmend versucht, für die Verwendung von Begriffen zu sensibilisieren. Eine Lösung liegt aber tiefer: Es geht nicht nur um eine Sensibilisierung für Menschen mit Behinderung, es geht darüber hinaus um eine Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmungsmuster. Diese Muster tragen einen Großteil der Verantwortung für Phänomene wie Behinderung.

Wir können den anderen nie ganz kennen – etwas an ihm wird uns immer fremd bleiben. So wie wir einen Gegenstand stets nur aus einer Perspektive sehen können, so auch unser Gegenüber. Begriffe haben dann nur als Arbeitshypothesen bestand – der andere kann sich verändern und wir ihn neu und besser kennenlernen.

Das Theater kann als Ort dienen, die eingeschränkte Gültigkeit von Begriffen aufzuzeigen. Theatrale Räume erscheint dabei als Orte des Befremdens, in dem die Wahrnehmungsmuster der Rezipierenden und damit deren Selbstverständlichkeit hinterfragt werden. Es vermag auf diese Weise ein Bildungsprozess in Gang gesetzt werden, mit dem der Fassung anderer in Begriffen schon in der Wahrnehmung gerechter werden kann: einem Modus, in dem Begriffe stets als Arbeitshypothesen angenommen werden, die damit nicht immun für Aktualisierung sind.

Fabian Riemen studiert in Hildesheim im Masterstudiengang Philosophie und Künste, Literatur und Theater. Forschungs- und Studienschwerpunkte sind die Subjektkonstitutierung und deren Abhängigkeiten sowie Narrative und Dramatisierungen des Autobiographischen. In seinem Bachelorstudium der Pädagogik und der Sonderpädagogik in Würzburg standen interkulturelle Bildung, Kommunikation und autobiographisches Arbeiten im Mittelpunkt.

Riemen arbeitet als Dramaturg und Produzent für Theater- und Filmproduktionen. Mehrere Jahre war er am Theater Augenblick in Würzburg als Regieassistent in der Entwicklung von biographischen Theaterproduktionen sowie in der Ausbildung der Schauspieler mit Behinderung tätig. Engagements führen ihn regelmäßig auf Festivals, bei denen dezidiert die Kunst von Menschen mit Behinderung sowie der Diskussion im Mittelpunkt steht.